Rosarion
Rosarion ist ein Old. Hengst, Rosenzauber (Rubinstein-WesternStar) – Donnerhall – Pik Solo, von Sibylle Wiemer gezogen, in Fintel, 1996 im Reitzentrum Wümmetal geboren.
Er wurde als Absetzer verkauft.
Seine Mutter „Una Donna“ ist ebenfalls die Mutter zu Rubignon, der als Dressurvererber in Schweden und der USA erfolgreich deckt.
Der dritte von Sibylle Wiemer gezogene Hengst Rohdion bekam während der Körung eine Belastungsrehe und musste dann 4jährig eingeschläfert werden.
Danach gab Sibylle Wiemer das Züchten auf, die Bilanz, dass von drei gekörten Hengsten einer verstarb und einer als untauglich gilt, nahm ihr jegliche Sicherheit, dass die große Verbände und Institutionen unter Einhaltung der 10 ethischen Grundsätze der FN die Pferdehaltung und Ausbildung durchführen.
Frau Heike Blank-Jägeler hat aus der Mutter vier weitere Nachkommen gezüchtet. Una Placida, eine Rappstute von Placido, Una Dea, eine braune Stute von Dream of Heidelberg, Una Havarra, eine Rappstute von Havard, die ihrer Mutter zum Verwechseln ähnelt. Als letzter Sohn wurde ein brauner Hengst von Florencio gezogen, er ist kastriert.
Una Donna lebt bei Freunden im Siegerland als Freizeitpferd.
Rosarions Lebensgeschichte
Er wurde bei dem ZVDP – Kleinpferde als Racoon gekört, aus der Hengstleistungsprüfung wegen Unrittigkeit ist er entlassen worden. Rosarion wurde in der Hand eines Pferdewirtschaftsmeisters ausgebildet. Er zeigte deutlich Anlehnungsprobleme, die mit Schlaufzügeln und Ausbindern in der Führmaschine bekämpft wurden.
Rosarion lebte in reiner Boxenhaltung. Er galt als sehr schwierig im Maul und war auf Trense nicht „am Zügel“ zu reiten. Rosarion war 6 Jahre alt, als die Idee aufkam, ihn auf Kandare zu reiten, – das scheiterte.
Die Ehefrau lässt das Pferd nach mehr als drei Jahren mit diesen Problemen röntgen.
Die Diagnose lautete: schlecht verheilte Haarrisse im Unterkiefer, Deformationen im Unterkiefer (dort wo das Gebiss lag). So kaufte Sibylle Wiemer ihren Rosarion im Herbst 2002 als „sportuntauglich“ zurück.
Der Plan war: zunächst sollte Rosarion medizinisch untersucht und behandelt werden, danach werden wir ihm zeigen, dass alles anders wird, wenn wir die Philosophie von Philippe Karl umsetzen. Die Schule der Légèreté, Leichtheit in der Hilfengebung, das sollte zum Schlüssel für dieses Pferd werden.
Erste Untersuchungen ergaben, dass das Unterkiefergelenk, das Genick und diverse Hals- und Lendenwirbel blockiert waren. Das wurde chiropraktisch und osteopatisch behandelt. Reiterlich legte Rosarion sich auf die Hand, er ging gegen den Zügel oder zu tief ohne jedwede Kautätigkeit. Am auffälligsten waren Veränderungen in seinem Gang, Rosarion konnte man gar nicht aussitzen, weil er so festgehalten trabte, er hatte über die Jahre Schwung verloren. Und Impulsion hatte er gar nicht mehr. Auf Bein und Gerte reagierte er mit Klemmen.
Über die Jahre seit 2002 hat Rosarion sich mit viel Geduld verändert.
Sibylle Wiemer lebt und arbeitet im Reitzentrum Wümmetal, einem Verein für Therapeutisches Reiten und Klassische Dressur.
Rosarion war Lehrpferd und ging einige Jahre Voltigieren. Er ist ein durch und durch braves, verlässliches Lehrpferd. Wenn kleinere Kinder ihn reiten, sitzen andere Reiter auf den Ponys, so dass er als Hengst wenig Anlass zum Imponieren hat.
Sein Unterkiefer ist gut verheilt, er wird grundsätzlich ohne Nasenriemen geritten, damit er bei Unwohlsein „sofort Bescheid sagen“ kann. Auf diese Weise lernen die Schüler mit weicher Hand und wirklich leichter Anlehnung zu reiten, ohne das Maul des Pferdes zu belasten.
Die Hämatome im Gaumengrund sind in wenigen Wochen weggeheilt, die Deformationen mittlerweile minimal. Auf der linken Seite ist noch eine Erhebung fühlbar, rechts eine horizantale Verschiebung, die unempfindlich ist. Durch das zunehmende Alter und die damit verbundenen Veränderungen im Unterkiefer liegt das Gebiss mittlerweile neben den Knochenveränderungen.
Rosarion hat ganzjährig eine eigene Weide.
Er geht auf Trense und Kandare. Die Kandare wird mit Fillisführung genutzt, um sicher zu stellen, dass die Kandare völlig isoliert zum Trensenzügel genutzt werden kann. Rosarion wird nur am Kappzaum longiert. Hilfszügel bekam er nur beim Voltigieren, dabei longierten wir ihn mit Laufferzügel.
Beim Reiten ist Rosarion ein guter Lehrmeister geworden. Am Zügel geht leicht und kauend, er zeigt perfekte Dehnungshaltung in allen Gangarten, lässt sich nun mehr und mehr aufrichten, ohne eng zu werden. Wir traben viel leicht, reiten ihn meist ohne Sporen.
Bei den Lektionen haben wir alle Seitengänge neu aufgebaut, nun geht er wirklich mit Leichtigkeit Travers, Renvers und Schulterherein in allen Gangarten.
Die Fliegenden Wechsel haben wir überarbeitet (die waren voll auf´m Kopf – vielleicht falsch erlernt? Mit Halsring wird der von ihm genutzte Bewegungsablauf besonders deutlich), jetzt übt Sibylle Wiemer Serienwechsel (d. h. das Pferd lehrt seine Reiterin: das mit der Koordination).
Sibylle Wiemer ist mit Takt. Losgelassenheit und Anlehnung (germanische Reitlehre) zufrieden, aber er hat bei seiner Geschichte besonders im Trab den Schwung verloren, oft gerät übereifrig wie er ist ins Laufen.
Rosarion ist deutlich mobiler im Maul geworden, die Flexibilität seines Halses, seines Körpers ist gut, er weiß nun, was Impulsion ist, die sofortige Reaktion auf die Schenkelhilfen. Er beginnt sich zu versammeln. Dank der Hilfe von Philippe Karl und Klaus Werzinger macht Rosarion zurzeit deutliche Fortschritte in diese Richtung, seine Tritte werden länger und erhabener.
Hab ich schon gesagt, dass er ein ganz tolles Pferd ist?
Er hat zwar Muskeln, aber nicht die, die mir zum Reiten wichtig erscheinen. In der Sattel sind rechts und links der Wirbelsäule Kuhlen. Wo sind seine Rückenmuskeln? Der Hals hat besonders den Muskel, den er benutzte, gegen die Hilfszügel anzudrücken. Seine Kruppe fällt unbemuskelt ab. Seine Oberarme haben kaum Muskeln. Seine Mimik ist noch unsicher.
Rosarion: 6 Wochen später, Sibylle hatte mittlerweile einen schweren Unfall, zwei junge Frauen reiten den Hengst auf Halsring und am halblangen Zügel, um bloß keine Fehler zu machen. Muskulär gibt es natürlich noch keine große Veränderungen. Psychisch wirkt Rosarion relaxter, er kommt langsam in seiner alten Heimat an.
Rosarion im Sommer 2003: Der Hengst hat einen „Zusammenbruch“, er wirkt ausgelaugt und resigniert. Zu allem Überfluss besucht ihn ein Bandwurm. Ein Tief ist erreicht.
Rosarion April 2004: Rosarion wirkt verändert, langsam baut er Muskulatur auf, besonders sind erste Veränderungen im Rücken zu beobachten.
Rosarion im November 2006:
Ich zitiere einen freundlichen Pferdefreund, der Rosarion in Hoya im Februar 2006 sah.
„Seht dieses Pferd an, der weiß nicht einmal, wie Rollkur geschrieben wird.“
Und zu mir: „Wenn es Ihnen gelungen ist, ein Pferd muskulär derartig umzustrukturieren, können Sie nicht viele Fehler gemacht haben!“
Ich danke dem Unbekannten sehr, er gab mir Mut, weiter zu machen und dem Universum, das mir die Zeit mit diesem außergewöhnlichen Pferd schenkt.
Rosarion verdient seinen Unterhalt an der Longe und auch im Reitunterricht, er ist leichtrittig, brav und leicht zu händeln. Mir selbst gibt er Mut und Selbstvertrauen, wir trainieren – wir üben Lektionen, von denen ich mir früher nicht mal träumen habe lassen, dass ich sie jemals reiten kann.
Meine Mutter sagte kurz vor Ihrem Tod:
„Ich kann gar nicht mehr erkennen, was Du da reitest, aber diese Harmonie. Nie habe ich Dich so zufrieden reiten sehen!“
Ja, das stimmt, und – wir Menschen sehen nicht nur mit den Augen gut.
Epilog
Rosarion wurde am 27. Dezember 2011 nach einer Ellbogenfraktur eingeschläfert.
Vorgeschichte 2011:
Im Jahr 2011 wurde es immer deutlicher: Rosarion war des Allein-seins überdrüssig. Er hat zwar in Fintel drei große Graspaddocks zu Verfügung, aber als Hengst stand er halt immer einzeln. Wir haben ihm täglich die Wallache an die Box gestellt, damit er ein wenig Kontakt haben konnte, aber das war nicht das gleiche, er war immer allein. Immer mal wieder kam mir die Idee, ihm eine eigene Stute anzuschaffen, aber was sollte ich dann mit der Nachzucht machen?? Alternativ hätte ich ihn gerne in die Ponywallachherde gestellt, da er im Unterricht viel mit denen zusammen war und gerade auch mit Rudi im Hänger sehr freundlich war.
Also habe ich mich im Umkreis umgehört und habe von einigen unkomplizierten späten Kastrationen gehört.
Da mir klar war, dass er nicht mehr zur Zucht eingesetzt werden würde, und ich ja seine Schwester „Una Havarra“ und damit das Blut ihrer Mutter noch besitze, entschied ich mich zur Kastration im Herbst.
Zwei Tage vor Neumond im November wurde er in der Klink kastriert. Wir haben ihn weitreichend vorbereitet. Er war beim Chiropraktiker, bei der Akupunktur – so dass er fit dort hinging.
Die Operation hat er problemlos überstanden, er war in der Klinik aufgefallen, weil er brav und umgänglich war. Am Abend haben wir ihn mit Sonja Kuchenmeister besucht. (mittlerweile ist sie verheiratet, heißt nun Sonja Kutter, ihre Webseite) Sie hat Rosarion mit Licht und Energie behandelt. Insgesamt hatte er die Betäubung und das Aufstehen, die OP gut weggesteckt.
Nach 5 Tagen haben wir ihn nach Fintel geholt. Er war fit, die OP-Narben waren geschwollen und er mochte nicht seitwärts gehen. Überhaupt fand er in der ersten Woche Bewegung völlig überbewertet. Er wurde mit Akupunktur und Chiropraxis nachbehandelt. Schon nach 14 Tagen wurde er deutlich entspannter und gebährdeter sich kaum noch hengstig. Die Reaktion bei den Wallachen, die wir an seiner Box angebunden haben, war neugierig, aufgeschlossen, aber das Brunftverhalten war schon weg.
Esther hat ihn liebevoll gepflegt, während ich auf der „Jagd und Pferd“ sowie in Franken war. Mitte Dezember fing Esther an, ihn nicht nur zu bewegen, sondern leicht vorwärts zu reiten.
Er machte einen Ausritt mit einer Stute und zwei Wallachen, bei dem er eine längere Strecke freudig vor sich hin buckelte. Er wirkte zufrieden und seine Wunde wurde dünner und heilte zusehends. 5 Tage vor Weihnachten war er zusammen mit dem Schwarzwälder Felix in der Halle, beide wurde geritten und irgendwie gab ein Wort das andere und wir ließen beide zusammen freilaufen.
Wir wurden Zeugen, wie sich Rosarion nach 13 Jahren Einzelleben voller Begeisterung mit Fellpflege und beriechen, beschnuppern und anknabbeln beschäftigte. Er wich Felix nicht von der Seite. All unsere Befürchtungen, wie wir die Ponies vor ihm schützen könnten, blieben fern. Er war freundlich und gar nicht aggressiv.
So stellten wir ihn nun jeden Tag mit einem Wallach auf eine Weide. Er genoss den Körperkontakt und die Nähe zu dem anderen Pferd, wirkte auffallend glücklich und sehr ausgeglichen. Er ließ sich gut reiten, das „klemmige“, das er immer mal wieder hatte, schien vollkommen weg zu sein.
Wir waren optimistisch und sahen einer Zukunft mit „Blümchenwiese und Ponyherde“ entgegen.
Welch fröhliches Gesicht er morgens machte, wenn er einen der Wallache auf der Weide sah.
Heiligabend stand er mal wieder mit Felix auf der Weide. Auf dem Weg zur Kirche sah ich beide noch friedlich grasend nebeneinander.
Abends dann war Rosarion sehr lahm. Er fusste nur noch mit der Zehenspitze auf, das Bein war am Unterarm außen geschwollen. Auf der Innenseite war der Knochen komplett fühlbar und man konnte innen drauf drücken, ohne dass er Schmerzen zeigte.
So verlebten wir Weihnachten mit Lasergerät und Schmerzmitteln, dachten zunächst noch „Glück gehabt“. Da es nach den ersten 48 Stunden nicht besser wurde, haben wir dann am 27. Geröntgt und mussten leider feststellen, die Elle zwar intakt, die Speiche jedoch gebrochen war. Ein Bruch, der nicht heilbar war.
Wir nahmen mit all seinen Reitern und Freunden Abschied, füttern ihn nach Herzenslust mit Äpfeln, Mohrrüben und Birnen.
Als Felix an seiner Box vorbei ging, wieherte er fröhlich und humpelte hinter ihm her. Hätten wir ihn nicht gestoppt, er wäre weiterhin gerne mit dem Dicken auf der Wiese gewesen.
Pferde kennen nicht dieses Gefühl, Felix ist schuld, er hatte wahrscheinlich irgendwann genug vom Dauerknutschen und hat ihn „weggetreten“.
Wir haben ihn abends eingeschläfert.
Für mich brach eine Welt zusammen, die erst nach Wochen während meiner Kur wieder rekonstruiert werden konnte.
In so einem Fall machen sich – glaube ich – alle Menschen Vorwürfe, so ich auch. Ich habe nicht gewusst, dass nicht die Ponies vor ihm, sondern er vor den Ponies geschützt werden muss. Ich habe nicht gewusst, dass er ein dermaßen großes Bedürfnis nach Fellkraulen hat und das auch „einfordert“. Mir ist es nicht klar gewesen, dass er Drohungen nicht als Drohungen erkennen kann, da Zeit seines Lebens ihn immer eine Wand geschützt hat.
Eines weiß ich jedoch sicher, diese letzte Woche seines 16jährigen Lebens war die glücklichste, die er hatte. Bei aller Liebe, die wir Menschen einem Pferd geben können, sie ersetzt nicht den Sozialkontakt mit anderen Pferden.
In tiefer Dankbarkeit für all die Momente, die ich mit ihm erleben durfte und im Wissen „der Mensch denkt und Gott lenkt“ – (wie ich) sein Leben war durch Unfälle geprägt, es hätte jederzeit passieren können.
Durch die Sendung die story „Du armes Pferd“ des WDR bleibt er mit seiner Geschichte Teil unseres Lebens.